C A S T I T A S

Erhöhung der Schlange am Kreuz

Lyrik zur Enthaltsamkeit

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Enak vor Gomorra (vom Baron Börries v. Münchhausen)


Wo der Dornstrauch im Wehen des Glutwinds sich beugt,
An dem Rande der Wüste, da ward er gezeugt.

Und sie riefen ihn Enak und fragten den Flug
Des Geiers, der droben die Fittiche schlug.

Da sprachen die Priester:  »Ein Reich zerschellt! –
Seine Hand wird die Sichel der Völker der Welt.

Wider alle die Hand, aller Hand wider ihn,
So wird er im Sturme die Erde durchziehn!« –

Und sein Kleid ward das Eisen, das Schwert seine Macht,
Hinsanken die Völker im Donner der Schlacht.

Seine Heimat der Sattel, sein Lager der Sand,
Seine Fackel auflodernder Dörfer Brand.

Die Ruh schuf ihm Fieber, heiß brannte sein Mund,
Doch im Prasseln der Pfeile, da ward er gesund. –

Und es wälzte die Woge des tobenden Kriegs
Sich gegen Gomorra, gewärtig des Siegs,

Wild jauchzten Drommeten, dumpf dröhnte das Horn,
Als die Stadt sie umschloß, und der König ritt vorn.

Aufglühte am Abend der Wachtfeuer Brand,
Und es schreckte das Brausen der Völker das Land,

Und des Artheroth Wasser abwuschen ihr Blut,
Und den Durst ihrer Lippen kühlt Artheroths Flut. –

Doch der Fürst der Araber saß einsam und fern,
Da trat in sein Kriegszelt der Engel des Herrn:

»Auf, Enak, und fliehe mit samt deinem Stamm,
Euch drohet der Tod in des Lasters Schlamm!

Leicht stürzt du die Mauren und sprengst das Gebälk,
Doch im Pfuhle der Lust wird die Seele dir welk,

Und schlugst du bei Tage die Stadt in der Schlacht,
So schlägt dir die Sünde dein Kriegsvolk bei Nacht!

Und die Stadt wird vergehn, wenn der Morgen erst tagt,
Doch:  »Mein sei die Rache!« hat Jahve gesagt!«

Und der Engel verschwand, und der Fürst sprang empor,
Wild klang ihm der Priester Verheißung im Ohr:

»Wider alle sein Schwert, aller Schwert wider ihn!« –
Doch er dachte des Volkes und sprach:  »Laßt uns ziehn!«

Und sie gürteten sich mit der Schärfe des Schwerts
Und zertraten die Kohlen des glimmenden Herds,

Und zäumten die Rosse, die heiß noch vom Tag,
Und vom Brechen der Zelte herdröhnte der Schlag,

Und der Führerruf klang und das Stierhorn zumal,
Und die Scharen der Reiter durchstoben das Tal. –

Doch Gomorra fuhr auf, aus dem Schlafe geschreckt,
Als der König die Scharen der Reiter geweckt.

Wild jauchzten sie auf, als die Flucht sie erschaut,
Und die Nacht ward zum Tag, und die Stille ward laut,

Gell lockten die Zimbeln zu Reigen und Tanz,
Hell glühten die Fackeln auf Mauer und Kranz,

Und laut scholl ihr Höhnen und laut ihr Gesang,
Schrill klirrte das Erz, das die Tänzerin schwang.

Aufrauchte der Nachtwind viel Purpurgewand,
Und der Weihrauch zog schwül übers dunkele Land,

Und sein Duft schlich durchs Heer, und dumpf grollte ihr Zorn,
Doch sie sahen auf Enak, und Enak ritt vorn. –

Fern erklangen die Hörner, das Lärmen erstarb,
Matt graute der Tag, und Gomorra verdarb.

Doch das reinere Volk, ohne Heimat und Haus,
Zog stolz in die nächtliche Wüste hinaus.

Text:  Juda.  Gesänge von Börries Freiherrn von Münchhausen.  1922

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